Restschuldbefreiung: EuGH erschwert das Risikomanagement

07. Dezember 2023 Blog Insolvenzrecht Wirtschaftsrecht

Der EuGH hat entschieden, dass eine nach einer Insolvenz erteilte Restschuldbefreiung nach sechs Monaten in einer Bonitätsauskunft nicht mehr auftauchen darf. René Schmidt von Schultze & Braun erläutert, warum die Rechtssicherheit für Schuldner in diesem Fall das Risikomanagement von Unternehmen erschwert.

Wer eine Wohnung mieten will oder von seiner Bank ein Darlehen haben möchte, kommt ohne sie in der Regel nicht aus: die sogenannte Schufa-Auskunft. In der Bonitätsauskunft – die es natürlich auch von anderen Auskunfteien gibt – steht auch, wenn eine Person ein Insolvenzverfahren erfolgreich durchlaufen hat und ihr vom Insolvenzgericht die sogenannte Restschuldbefreiung erteilt wurde.

Schufa vs. InsBekV

Viele Jahre wurde diese Information von der Schufa und vielen weiteren Auskunfteien drei Jahre gespeichert – obwohl in der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren und Restrukturierungssachen im Internet, kurz InsBekV, bereits seit 2007 eine Höchstgrenze von sechs Monaten festgelegt war. Bereits seit Ende März 2023 speichert die Schufa die Erteilung einer Restschuldbefreiung allerdings nur noch für ein halbes Jahr und ist mit der Angleichung ihrer Speicher- und Löschfrist an die Vorgabe der InsBekV dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 7. Dezember 2023 zuvorgekommen. Die Luxemburger Richter haben in dieser Entscheidung festgelegt, dass es im Widerspruch zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) steht, wenn private Auskunfteien Daten zu einer erteilten Restschuldbefreiung länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister.

Zwei Paar Schuhe

Für Schuldner waren und sind sowohl die Entscheidung der Schufa als auch das Urteil des EuGH eine gute Neuigkeit und ein Vorteil. Denn die Speicherung einer erteilten Restschuldbefreiung über ein halbes Jahr hinaus (bei der Schufa bis Ende März drei Jahre) hat so manchem Schuldner einen echten wirtschaftlichen Neustart verwehrt. Zwar wurden sie von ihren Schulden befreit – auch wenn sie genau genommen nicht weg, sondern nur nicht mehr durchsetzbar sind – wurden aber faktisch bis zur Löschung bei jeder Bonitätsauskunft über die in der Verordnung festgelegten sechs Monate hinaus damit konfrontiert, dass „schuldenfrei sein“ und „als schuldenfrei angesehen werden“ durchaus zwei Paar Schuhe sind.

Sechs Monate nach der Restschuldbefreiung

Im Zuge der aktuellen Entscheidung des EuGH, die nun für Rechtssicherheit sorgt und grundsätzlich zu begrüßen ist, ist absehbar, dass sich auch andere Auskunfteien ihre Speicher- und Löschfristen an die Vorgabe des Gesetzgebers mit der InsBekV angleichen werden und müssen und diesen Schritt wahrscheinlich bereits vorgesehen oder sogar schon umgesetzt haben. Die Information über die Schuldenbefreiung mittels Insolvenz dürfte nun in allen Bonitätsauskünften nur noch sechs Monate nach der Erteilung der Restschuldbefreiung auftauchen.

Die positive Nachricht für die Schuldner erschwert aber gleichzeitig das Risikomanagement vieler Kunden von Auskunfteien, vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Großkonzern. Denn dass ein Vertragspartner in der (jüngeren) Vergangenheit nicht in der Lage war, seine Schulden vollständig zu bezahlen, ist eine Information, deren Bedeutung für die Einschätzung des finanziellen Ausfallrisikos einige Aussagekraft besitzt – doch diese Information liegt nun weitaus kürzer vor als noch vor einigen Monaten.

Nachhaltige Entschuldung notwendig

Eine nachhaltige Entschuldung gelingt bei Verbrauchern, aber auch bei Unternehmen, nur dann, wenn mit der Insolvenz auch die ihr zugrundeliegenden Ursachen beseitigt werden. Wenn das Verhalten des Schuldners die Ursache für die finanzielle Schieflage war und sich das Verhalten nicht ändert, ist die reine Entschuldung nur bedingt nachhaltig.

Mit der Angabe des Grundes für die bisherige Insolvenz – und vor allem dem Aspekt, ob der Schuldner unverschuldet oder selbstverschuldet in diese Situation gekommen ist – wäre die Bonitätsauskunft also unabhängig von der Speicherdauer weitaus aussagekräftiger. Diese Information steht aber nicht zur Verfügung, und es würde sich auch die Frage stellen, wer das objektiv beurteilen soll. Für die Auskunfteien, aber auch ihre Kunden bedeutet das, dass sie nach der Entscheidung des EuGH bei ihrem Risikomanagement noch stärker als bislang die Nachhaltigkeit einer Entschuldung und die individuellen Umstände im Blick haben müssen. Zudem müssen sie mit anderen Maßnahmen, insbesondere einem verstärkten Forderungsmanagement und auf das Sicherungsbedürfnis angepasster Vertragsgestaltung, versuchen, ihr Ausfallrisiko zu minimieren.

Der Autor

René Schmidt

ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Er ist in der vorinsolvenzlichen Beratung und als Prozessanwalt tätig.